Donnerstag, 26. Juni 2014

Tag 177 - Die nicht abgeschickten Briefe



In meiner Wohnung gibt es ein Schrankfach, das ich seit Monaten zu öffnen vermeide. Es ist das Fach in meinem Schreibtisch, bis oben hin vollgestopft mit Zeug aus dem vorigen Jahr, als mein Leben sehr viel komplizierter und weit weniger schön war als heute, darunter ein Karton voll mit nicht abgeschickten Briefen.

Meine damalige Beziehung war, sagen wir mal, schwierig, und um all das Schwierige irgendwie zu sortieren und zu strukturieren, schrieb ich. Die Briefe bedeuten mir schon lange nichts mehr, aber bisher hatte ich mich erfolgreich davor gedrückt, das Chaos im Schrank zu beseitigen, wahrscheinlich, weil ich von dieser Zeit meines Lebens so weit wie möglich wegbleiben wollte. 

Wäre ich auch nur ansatzweise esoterisch veranlagt, ich würde wahrscheinlich an böse Schwingungen glauben, die aus dem Schrank dringen und mir die Lebensenergie rauben. Zum Glück bin ich null esoterisch veranlagt. Warum ich den Schrankinhalt nun trotzdem endlich mal in Angriff nehme? Dafür gibt es eine ganz pragmatische Erklärung: Ich würde den Schrank gern wieder benutzen, und das geht nicht, wenn er bis oben hin vollgestopft ist mit Zeug, das weg kann. Wie diesen Briefen: Die können weg.

Übrigens kann ich nur davon abraten, solche Dinge zu verbrennen. Hielt ich für eine super Idee, damit die Müllabfuhr sich nicht durchlesen kann, was ich geschrieben habe (als ob die sich dafür interessieren würden), und da der Grill eh auf dem Balkon stand ... Und jaaaa, vielleicht hatte mich auch spontan ein Hang zum Symbolträchtigen angeflogen.

Nach drei Minuten hab ich ne Gießkanne voll Wasser drübergekippt. Ich hatte Angst, jemand könnte ob der Qualmentwicklung die Feuerwehr rufen.

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